Druckausgabe (PDF)

Themen

Sachindex
Figurengruppen, Auftragswerk, Arbeiterbewegung, Utopie, Widerstand, Öffentlicher Raum

Ortsindex
Marx-Engels-Forum Berlin

Alte Welt

Werner Stötzer; Wloch, Carlo - Steinmetzmeister (Ausführender) 1975-1986
Werkverzeichnis Skulptur und Plastik 134

Werkverzeichnis-Nr.:
134
Objekttyp:
Beschreibender Titel:
Fünf Reliefs in Reihe
Alternative Titel:
Teil des Ensembles Marx-Engels-Forum, Berlin
Entstehungsort:
Atelier Vilmnitz/Rügen und am Standort in Berlin
Technik / Material (Werteliste):
Marmor
Technik / Material (Freitext):
Sandanski-Marmor
Maße (HxBxT) :
220 x 900 cm
220 x 195 x 86 cm (Relieftiefe 36 cm)
220 x 120 x 105 cm (Relieftiefe 45 cm)
220 x 282 x 100 cm (Relieftiefe 40 cm)
220 x 80 x 174 cm (Relieftiefe 41 cm)
220 x 160 x 79 cm (Relieftiefe 44 cm)
(vier Zwischenräume, gesamt 63 cm)
Signatur:
unsign.
Bezeichnung, durch Künstler/in:
unbez.
Beschriftung, von fremder Hand:
unbeschr.
Objektbeschreibung:
fünf Marmor-Blöcke mit unterschiedlichen Figurenkonstellationen
Aktueller Standort:
Berlin-Mitte, Karl-Liebknecht-Str./Ecke Spandauer Str. (seit 2010)
Aktuelle Inventarnummer:
09060130
Aktuelle Präsentation:
öffentlicher Außenraum
Eigentümer:
Landesdenkmalamt Berlin
Zugangsjahr:
1986
Zugangsart:
Erbe
Bemerkungen zur Provenienz:
Inventarnummer gilt für gesamtes Ensemble Marx-Engels-Forum; 1. Entwurfsskizze: Nachlass Werner Stötzer; Entwurf für das Denkmal "Alte Welt", 1974/75: Nachlass Otto Niemeyer Holstein
Kommentar / Kontext / Wirkungsgeschichte:
Es ist ein Auftrag, der "von ganz oben" kam und an dem Werner Stötzer mehr als zehn Jahre seines Lebens hart gearbeitet hat und während dieser Zeit andere Projekte ruhen ließ. Anfangs zögerte er, sich der Sache anzunehmen, doch dann näherte er sich zielstrebig und selbstbestimmt seinem Projekt. Er wollte in der Reliefwand nicht Torsi, sondern ganze Figuren zeigen. Fritz Jacobi beschrieb 1986, als die fünf Marmorblöcke an ihrem Bestimmungsort im Zentrum von Ostberlin standen, seinen ersten Eindruck wie folgt: "Die Reliefgruppe steht [...] etwas trutzig da, ihrer selbst noch nicht ganz sicher und bietet sich den Blicken [...] offen dar. In der morgendlichen Sonne leuchtet das Relief weiß, fast magisch auf, aber auch bei verhangenem Wetter bleibt es ein anziehend heller Streifen, kontrastreich 'hinterlegt' von den rötlich-brauen Glasfassaden des Palastes der Republik.[...] eine massive, wuchtig aufeinanderstoßende Körperlandschaft, deren mächtige Plastizität die fünf Marmorquader wellenartig und in großen Konturen detailreich überzieht." (Jacobi, Fritz, Sonntag, 10.05.1986) Der Kunsthistoriker spricht von einer spannungsgeladenen Bilderfolge, einem dramatischen Szenenwechsel menschlicher Situationen.
Stötzer suchte und fand mit klarem bildhauerischen Gespür Ausdruck für menschliche Grundhaltungen wie Helfen, Liebe, Kampf, Gesten des Schutzes oder des Trauerns, also für Befindlichkeiten, die das Leben selbst prägen. Zwischen zwei schmalen Blöcken als Ruhepunkte dominiert ein enges Neben- und Übereinander der mit expressivem Gestus agierenden Figuren. Der Wechsel zwischen Frontal- und Profildarstellungen, zwischen Ballungen und Streckungen bietet auf einer Länge von fast zehn Metern einen spannenden Fries mit der auf Augenhöhe festgehaltener Bewegung und Gegenbewegung.
Im Komplex der anderen Elemente der bildhauerischen Denkmalgestaltung für Marx und Engels kommt diese größte Reliefwand Stötzers ganz ohne Pathos daher. Kein Hauch von Agitation oder gar Propaganda. Die von Honecker eingesetzten staatlichen Auftraggeber hatten ihre Mühe, mit dem entstandenen vielgestaltigen Kunstensemble umzugehen, das sie so nicht gewollt hatten und wohl auch nicht verstanden haben.
Die Einweihung Anfang April 1986 fiel, vergleicht man sie mit für andere Denkmale zelebrierten pompösen Aufmärschen und Staatsakten, eher bescheiden aus. Im Rückblick nannte es der von 1974 bis 1986 wissenschaftlich-technische Leiter der Arbeitsgruppe und Gestalter der Stelenkörper Friedrich Nostitz ein "Staatsdenkmal der anderen Art" (Berliner Zeitung, 11.09.2010).
Im Zusammenhang mit geplanten Umgestaltungen in Berlins Stadtmitte und dem Bau der neuen U-Bahnstrecke zum Roten Rathaus wurde Stötzers Marmorwand, die wie die anderen Bestandteile des Marx-Engels-Forums ein geschütztes Denkmal ist, einen Monat nach seinem Tod 2010 umgesetzt, nach Plänen von demselben Friedrich Nostitz und dem Architekten Peter Flierl. 2023 wurde das Denkmal an seinem originalen Standort an der Spree mit Rücken zum Humboldt-Forum umgesetzt. Zuvor waren die fünf Marmorreliefs durch die Restaurierungswerkstatt von Thomas Schubert gereinigt und einer Fugen- und Riss-Sanierung unterzogen worden.
Der Entwurf für Stötzers "Alte Welt" (1975/76), der sich heute im Museum der bildenden Künste, Leipzig befindet, besitzt einen eigenen Eintrag (WVZ-Nr. 133).
Weitere Abbildungen:

Alte Welt
1975-1986
Marmor
220 x 900 cm
Standort: Berlin, 1986

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Ilona Ripke

Alte Welt (v.l.n.r.)
Teil 1
220 x 195 x 86 cm
Relieftiefe 36 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm

Alte Welt (v.l.n.r.)
Teil 2
220 x 120 x 105 cm
Relieftiefe 45 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm

Alte Welt (v.l.n.r.)
Teil 3
220 x 285 x 100 cm
Relieftiefe 40 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm

Alte Welt (v.l.n.r.)
Teil 4
220 x 80 x 174 cm
Relieftiefe 41 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm

Alte Welt (v.l.n.r.)
Teil 5
220 x 160 x 79 cm
Relieftiefe 44 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm

Entwurf für das Denkmal "Alte Welt" in Berlin
1974/75
Gips
Höhe 17 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Günter Niemeyer

Alte Welt (erster Entwurf)
undatiert
Gips
14.8 x 10.5 x 7 cm
Nachlass Werner Stötzer

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Inge Zimmermann

Alte Welt (Abeitsstadium)
1975/76
Marmor

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Lutz Friedel
Vorhandene Reproduktionsvorlage (beste Qualität):
Digitales Original
Kernbestand:
ja
Nachlassbestand:
ja

Akademie der Künste zu Berlin u.a. (Hg.), Werner Stötzer: Skulptur und Zeichnung, Köln 1991, hier: S. Taf. 67 (Entwurf), Taf. 91 (Teil 4,5).
Eisold, Dietmar, Das Denkmals-Ensemble für den Marx-Engels-Platz Berlin, in: Bildende Kunst 1986 3, S. 104ff..
Endlich, Stefanie/Wurlitzer, Bernd, Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin 1990, hier: S. 280-281.
Jacobi, Fritz, Körper-Landschaft. Stötzers Reliefwand auf dem Berliner Marx-Engels-Forum, in: Sonntag 11.05.1986, S. 6.
Ministerium für Kultur der DDR, Verband Bildender Künstler der DDR (Hg.), X. Kunstausstellung der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden 1987, hier: S. 475 o. Abb.
Nostitz, Friedrich, Rückblicke auf ein umstrittenes Denkmal und einen ungewöhnlichen Staatsauftrag, in: Berliner Zeitung 11.09.2010 (2010), S. 4, hier: S. 4.
Porstmann, Gisbert/Quermann, Carolin (i.A. der Städtischen Galerie Dresden) (Hg.), Existenz. Theodor Rosenhauer und Werner Stötzer, Dresden 2013, hier: S. 130 (Foto I. Ripke).
Solter, Friedo, Vom Leben der Steine. Über den DDR-Bildhauer Werner Stötzer, in: Westermanns Monatshefte 1984 (1984) 8, S. 6-14, hier: S. 11 (Zustände 1984 in Vilmnitz/Rügen).
Volpert, Astrid, Das Bild zweier Menschen und ihre weltweite Wirkung. Ausstellung über das Projekt für das Denkmal von Marx und Engels in Berlin, Marstall, in: Junge Welt 09.08.1983, S. 5.
Volpert, Astrid, Im Herzen Berlins: neues Monument vom Kampf und Sieg der Arbeiterklasse, in: Junge Welt 05.04.1986, S. 3, hier: S. 3.
Zentrum für Kunstausstellungen der DDR/Rheinisches Landesmuseum Bonn (Hg.), Bildhauerkunst aus der Deutschen Demokratischen Republik, Bonn 1987, hier: S. 181.
Zimmermann, Inge (i.A. der Akademie der Künste, Berlin) (Hg.), Werner Stötzer. akademiefenster 11, Berlin 2016, hier: S. 17.

© VG Bild-Kunst, Bonn; Sylvia Hagen
Foto: Barb Kirkamm