Kommentar / Kontext / Wirkungsgeschichte:
Endlich mal eine neue Variante mit dem Verpackungsmaterial umzugehen, muß sich wohl der Künstler gesagt haben, als er neben Stein und Papier nun auch Styropor als Arbeitsmaterial einsetzte. Interessant zu sehen, welche Umsetzungen der verschiedensten Materialien möglich sind.
Gerd Markert, Werke von C.-L.-Gaedicke, In: Niederbarnim-Echo, Juni 1991
Diesen Plastiken früherer Jahre aus traditionellen, dauerhaften Materialien stehen in reizvollem ästhetischen Kontrast zu jüngsten plastischen Objekten, Raumkörpern, Assemblagen, szenenartige Schaukästen oder auch Rundfunk-Fernsehreparatur-Schaufenstern, die Gaedicke erstmals aus dem Verpackungsmaterial Styropor baute. Seit dem Herbst 1989 hat er kein Muße mehr, in Stein zu arbeiten. Er mußte das ihn Beunruhigende, Bedrängende, daß sich in ihm angestaut hatte, abarbeiten, und das konnte er am besten mit den trivialen Relikten der neuen Konsum- und Wegwerfgesellschaft, die uns bis in die Wohnung zu ersticken drohen. "Diese Dinge schreien mich überall an" - mit diesen Materialien, die auf der Straße liegen, wollte er auf die Brüche der Wirklichkeit reagieren.
"Wi(e)derstand" hat er deshalb seine Ausstellung bezeichnet, in der Doppeldeutigkeit des Widerständigen wie des Wiederaufstehens als künstlerische Haltung, auch dem Material gegenüber, denn selbst dieses widersteht bestimmten Aktionen. König Ubu, die Perversion moralischer Kategorien als Zerstörung einer Wirklichkeitsillusion wird als Aushöhlungsprozeß einer vorgegebenen Form aufgeführt: So wie das 1896 aufgeführte Ubu-Stück Alfred Jarrys bleibt auch bei Gaedickes Popanz die Deutung offen, ist sie auf Fortsetzung, vielleicht sogar auf Wiederholung angelegt. ... Thematische und formale Strukturen liegen mitunter schon im Material der trivialen Warenproduktion selbst, dann wieder füllt der Künstler diese Raumgebilde mit dramatischem Inhalt - sie werden zu Sinnbildern für Abhängigkeiten und Bindungen, Wirkliches und Surreales. Es handelt sich um eine Inszenierung und zugleich um die Infragestellung einer Darstellung. Denn die Bauelemente und Baugruppen, Röhren und Transistoren, Drähte und Metallbänder, der Vogelkadaver, der am Fenstergitter verendet ist, die Spielzeugkuh auf der Wiese, unter der sich die Machtzentrale mit der (noch tickenden?) Zeitbombe befindet, die aus Draht und Festkörper geformte Muppet-Figur, das ganze Inventar von Alltäglichem und Alptraumhaftem sollten beim Betrachter ganz unterschiedliche Assoziationen auslösen, abhängig davon, wie er an dem gesellschaftlichen Prozessen teilgenommen hat, wie er heute mit der Vergangenheit umgeht, sie für sich aufarbeitet oder einfach verdrängt.
Klaus Hammer, Versatzstücke bedrängender Wirklichkeit. In: Neue Zeit, 8. Mai 1991