Kommentar / Kontext / Wirkungsgeschichte:
Henry Schumann: In einer Tabakdose verwahrst du, wenn sie nicht gerade in einer Ausstellung sind, ein halbes Dutzend aus Holz geschnitzter Figuren, die nicht höher sind, als eine Zündholzschachtel breit ist. In diesen Gebilden scheint eine heimliche Monumentalität zu liegen, man könnte sie sich als Modelle für größere Plastiken vorstellen. Was hat es für eine Bewandtnis mit diesen „Miniaturen“, wie du sie nennst?
Claus-Lutz Gaedicke: Modelle sind es nicht für größere Objekte, was diese Verwendung allerdings nicht völlig ausschließt. Der ursprüngliche Anstoß, welcher zur Schaffung dieser Miniaturen führte, waren Netsuke, also japanische Kimonoknöpfe. Als Pfeiferaucher nutze ich zum gelegentlichen Stopfen solche Holzdübel, deren glatte, nur zu beziehungslose Form, ich mit dem Federmesser bearbeitete. Aus der Spielerei wurde konzentriertes Arbeiten, und ich hatte große Freude bei der Suche nach neuen Formrhythmen. Besonders reizvoll war dabei die Beschränkung auf immer das gleiche Volumen. Man schleppt ja immer irgendwelche Formvorstellungen mit sich herum, die sich vielleicht hier äußern. Und weshalb sollten sie nicht später mal wieder auftauchen. Es kann durchaus sein, dass so etwas irgendwann in einer ähnlichen oder abgewandelten Form als eine Skulptur auftritt.
In: Schumann, Henry: Ateliergespräche. Leipzig, 1976; S. 82
unter einer glaskuppel mit einem durchmesser von 45 cm ist in vier puppenstubenhaften räumen eine ausstellung aufgebaut. in winzigen rahmen "hängen" miniaturgrafiken an den wänden; auf kleinen sockeln stehen skulpturen passender größe. diese kunstwerke (die bezeichnung klingt anmaßend) sind nicht etwa erst für diese ausstellung geschaffen worden, sondern die idee für das projekt entstand aus der kenntnis der winzigen radierungen von thomas ranft (geb. 1947) die vor allem 1972/73 entstanden sind, und der von claus lutz gaedicke (geb. 1943) aus holzdübeln geschnitzten kleinst-skulpturen. beides sind mehr oder weniger nebenerscheinungen im schaffen der künstler, zu denen sonst "größeres" gehört: ranft bleibt dabei fast ausschließlich bei radierungen, von gaedicke sind es bronzeplastiken und steinskulpturen. jene winzigkeiten sind mit einem augenzwinkern und aus der spielerischen handhabung der künstlerischen techniken heraus entstanden, in ihrer form aber ganz ernst genommen, so daß sie erhebliche fotografische vergrößerungen vertragen, ohne leer und läppisch zu wirken. den skulpturen ist ein geradezu monumentaler zug nicht abzusprechen, den man ebenso bewundern kann wie die minutiöse genauigkeit der radierungen. die kleine form täuscht hier nicht über formale schwächen hinweg sondern ist ausdruck der formbeherrschung. gleichzeitig werden aber auch fragen der proportion angesprochen. Wo sonst wäre es möglich, die gezeigten werke im katalog in originalgröße abzubilden?
In: Hüneke, Andreas; Kat. Potsdam 1982
die ausstellung "grafik&skulptur / thomas ranft & claus lutz gaedicke" ist im juli 1979 während des sommerkurses der komponistenklasse des bezirkes halle im bach-saal des köthener schlosses erstmals gezeigt worden. dabei fand sie aufnahme in den für das fernsehen der ddr gedrehter defa-dokumentarfilm "ist komponieren lernbar?".
anläßlich des 150. Jahrestages der neugründung der berliner sternwarte wurde sie im juni 1982 in der sternwarte babelsberg des zentralinstituts für astrophysik erneut aufgestellt und zum dritten male im observatorium des gleichen instituts auf dem telegrafenberg in potsdam im september/oktober 1982.
der druck des kataloges wurde dankenswerterweise durch den rat des bezirkes potsdam, abt. kultur ermöglicht.
40 nummerierte exemplare des kataloges enthalten als vorzugsausgabe je eine originalgrafik von thomas ranft und claus-lutz gaedicke, sowie eine fotokopie der partitur für die von hans jürgen wenzel komponierte eröffnungsmusik.
In: Hüneke, Andreas; Kat. Potsdam 1982